20. Apr. 2024

Börsenweisheit „Sell in May“. Was ist dran?

Der Wonnemonat Mai lässt die Bäume ausschlagen – und die Märkte bringt er offensichtlich durcheinander. Zumindest, wenn man einer alten Börsenweisheit Glauben schenken darf: „Sell in May and go away“ – verkaufe im Mai und halte dich (von der Börse) fern. Oder erweitert „Sell in May and go away, but remember to come back in September”. Im September soll´s dann wieder rein in die Märkte gehen. Was ist dran an dieser Börsen-Binse?

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Ab Mai in die ‚Börsen-Sommerpause‘…

In der Vergangenheit zeigte sich, dass in den Sommermonaten der Handel nachließ – vermutlich auch, weil viele Kapitalmarkteilnehmer den Urlaub genossen. Ein weiterer Grund war die Dividendensaison, die um die Osterzeit beginnt. Damit die Anlegerinnen und Anleger nämlich beruhigt in den Urlaub fahren konnten, vereinnahmten sie die jährlichen Ausschüttungen und stiegen in der Folge aus den Märkten aus. Schließlich gab es vor der flächendeckenden Ausbreitung des Internets kaum Möglichkeiten vom Urlaubsdomizil aus, auf Kapitalanlagen zuzugreifen, falls etwas nicht wunschgemäß verlief. Heutzutage ist das anders. Dank Internetzugang an fast jedem Ort und Trading-Apps auf dem Smartphone, kann man stets alles im Blick haben und bei Bedarf eingreifen.

Und das ist gut so. Ein Blick zurück auf den vergangenen Sommer 2023 zeigt: Wäre man der ‚Sell in May-Weisheit‘ gefolgt, hätte man im breit aufgestellten Weltindex MSCI World mit mehr als 1.500 Unternehmen aus 23 Industriestaaten einen Anstieg von 6,2 Prozent[1] verpasst. Im selben Zeitraum betrug der Zuwachs im U.S.-amerikanischen Leitindex S&P500 – der die 500 nach Marktkapitalisierung größte US-amerikanischen Unternehmen bündelt – sogar mehr als 8,4 Prozent[2]. So gesehen hätten Aussteiger eine solide Sommerrally verpasst.

… oder lieber durchgehend am Ball bleiben?

Im bereits angeführten Beispiel ist der betrachtete Zeitraum von lediglich einem Jahr denkbar kurz. Wie der S&P 500 sich auf Sicht von mehreren Jahren entwickelt hat zeigt eine Studie der Bank of America, die bis ins Jahr 1928 zurückblickt[3].

Das Ergebnis: Vorzugsweise bleibt man wohl auch in den Sommermonaten investiert. Denn wie die Studie zeigt, waren die jeweiligen Zeiträume von Mai bis Oktober zwar die schwächsten im S&P500, dennoch fielen sie positiv aus. In 65 Prozent der Fälle erzielte das US-Barometer eine Durchschnittsrendite von 2,16 Prozent[3].

Nun sind etwas mehr als zwei Prozent Kursgewinn bei Tagesgeldangeboten von heutzutage bis zu vier Prozent nicht besonders viel. Doch sie dürften Grund genug, um investiert zu bleiben. Wer tatsächlich Ende April verkauft, lässt eventuell nicht nur Rendite liegen. Gleichzeitig sind Handelskosten für den Verkauf zu bezahlen und es fällt Abgeltungssteuer auf die Gewinne der Wertpapiergeschäfte von 25 Prozent an. Hinzu kommt der Solidaritätszuschlag und eventuell die Kirchensteuer[4] [5].

An dieser Stelle kommt eine andere Börsenweisheit ins Spiel: „Hin und her macht Taschen leer“. Will sagen: Wer viel handelt und aktiv in das Finanzmanagement eingreift, hat hierdurch höhere Kosten. Und die können die eine etwaige Rendite schmälern.

Chance auf das perfekte Timing…

Den richtigen Ein- und Ausstiegszeitpunkt für das eigene Investment zu finden ist nahezu unmöglich. Prof. Dr. Hartmut Walz – Verhaltensökonom und Entscheidungsexperte an der Hochschule für Wirtschaft und Gesellschaft in Ludwigshafen – hat am Beispiel des Deutschen Aktienindex (Dax) geprüft, was passiert, wenn die renditestärksten und -schwächsten Tage verpasst oder eben nicht verpasst worden wären. Hierzu dient ein Zeitraum zwischen den Jahren 1988 und 2020. Aus einer Einmalanlage von 1.000 Euro wären nach Ablauf der 33 Jahre 14.534 Euro geworden, wenn man einfach nichts unternommen hätte[6].

Hätte man hingegen die zehn besten Tage verpasst, wären aus den 1.000 Euro „lediglich“ 6.222 Euro geworden, was einer durchschnittlichen Jahres-Rendite von 5,7 Prozent entspricht. Beim Verpassen der 30 besten Tage hätte sich der Einsatz nach Ablauf von 33 Jahren mit 1.919 Euro nicht einmal verdoppelt[6].

… mit durchgehend eitel Sonnenschein?

Der Fairness halber: Durch Vermeidung der schlechtesten zehn Börsentage im Dax innerhalb dieser 33 Jahre hätte man 11,4 Prozent durchschnittliche Rendite erzielen können und aus 1.000 Euro Einmalanlage 36.212 Euro gemacht. Hätte man seine Schäfchen bei den 30 schlechtesten Tagen ins Trockene gebracht und wäre also ausgestiegen, betrüge die Rendite 15,6 Prozent und das Investment wäre auf 120.367 Euro angestiegen[6].

Das sind sowohl für das Mitnehmen der besten bzw. die Vermeidung der schlechtesten Börsentage zweifellos beindruckende Zahlen. Doch es zeigt sich, dass es kaum möglich ist, die exakten Zeitpunkte für Ein- und Ausstieg zu treffen – ganz abgesehen von den zusätzlichen Handelskosten. Wer die besten 30 Börsentage von knapp 11.000 Tagen vorausgesehen hätte, wäre ein Genie. Entscheidend für die Erreichung der persönlichen Finanzziele kann ein ausreichend langer Anlagehorizont von zehn Jahren und mehr sein sowie eine breite Risikostreuung. Die Börsenweisheit „Sell in May“ scheint überholt.

 

 

Du willst mehr über die Entwicklungen wissen, die in den kommenden Monaten auf die Finanzmärkte zukommen können und was diese für Anleger bedeuten? Dann könnte dieses NTV Interview interessant für dich sein.

1. Börse Frankfurt, abgerufen am 03.04.2024: https://www.boerse-frankfurt.de/index/msci-world/kurshistorie/historische-kurse-und-umsaetze

2. Börse Frankfurt, abgerufen am 03.04.2024: https://www.boerse-frankfurt.de/index/s-p-500/kurshistorie/historische-kurse-und-umsaetze

3. Fortune, 2024, abgerufen am 04.04.2024: https://fortune.com/2023/04/19/bank-of-america-stephen-suttmeier-stock-rally-summer-prediction/

4. extraETF, 2024, abgerufen am: 04.04.2024: https://extraetf.com/de/wissen/etf-und-steuern

5. DWS gibt keine Steuerberatung. Die steuerliche Behandlung hängt von den individuellen Umständen ab und kann sich in der Zukunft ändern.

6. Walz, Hartmut Prof. Dr., 2024, abgerufen am: 04.04.2024: https://hartmutwalz.de/an-der-boerse-wird-nicht-geklingelt-unsere-besten-und-unsere-schlechtesten-tage-market-timing-teil-2/ Alle Meinungsäußerungen geben die aktuelle Einschätzung wieder, die sich ohne vorherige Ankündigung ändern kann. Prognosen basieren auf Annahmen, Schätzungen, Ansichten und hypothetischen Modellen oder Analysen, die sich als nicht-zutreffend oder nicht-korrekt herausstellen können. Ausschüttungen sind nicht garantiert. Die Höhe von Ausschüttungsauszahlungen kann sich ändern bzw. komplett ausfallen. DWS International GmbH 04/2024

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